Karl Heinrich Dürr ist am 31. Januar 1892 in Pforzheim geboren. Er ist ab 1924 erst Vikar, dann ab 1925 Pfarrer der heutigen Lukasgemeinde in der Pforzheimer Weststadt. 1936 verheiratet er sich in Freiburg mit Elisabeth Holzhausen.

Der Weltkriegs-Veteran Karl Dürr kommt durch Martin Niemöller zur „Bekennenden Kirche“. Am 22. November 1933 sind im Melanchthonhaus und im Saalbau zusammen über 3.400 evangelische Christen versammelt, um gegen die Deutschen Christen (DC), eine NS-nahe Gruppierung, zu protestieren. Diese hatten das Alte Testament als „Viehhändler- und Zuhältergeschichten“ verunglimpft, um die evangelische Kirche entsprechend der NS-Rassenlehre umzuformen. Dürr nennt die DC „Totengräber des evangelischen Bekenntnisses und Schrittmacher eines neuen Heidentums“.

1934 schreibt er an den Landesbischof Julius Kühlewein: „Enttäuschung und Verbitterung erfüllt uns, dass Sie nur einen „ungewöhnlichen Weg” zugeben, wo brutale und zynische Beiseitesetzung von Recht und Verfassung vorliegt […]. Denn dieser Geist [der Geist der Deutschen Christen; Anm. d. Autoren] ist im tiefsten Grund der Geist weltlicher Macht und Gewaltanwendung, dem bis aufs Blut widerstanden werden muss.

Die Gestapo überwacht seine Predigten und verhört ihn mehrmals, seine Post wird geöffnet. Die Kirchenleitung versetzt ihn 1935 nach Freiburg. Dort betätigt er sich weiter für die Bekennende Kirche und wird von der Gestapo durch Vorladungen und Hausdurchsuchungen schikaniert. 1937 fordert er seine Kollegen der Bekennenden Kirche zu Fürbitte-Gottesdiensten für alle inhaftierten Pfarrer auf und wirbt für eine Unterschriften-Sammlung zugunsten Niemöllers. Die Verfolgung der Juden bezeichnet er als „einen markanten Verstoß gegen das christliche Bekenntnis“. Zum Widerstand im „Freiburger Kreis“ findet er, als er zusammen mit Gerhard Ritter und dem Freiburger Pfarrer Otto Hof Ende 1938 eine Denkschrift „Kirche und Welt“ verfasst, die sich mit dem Verhalten des Christen gegenüber einer Obrigkeit befasst, die die Staatsbürger zu „einer weltanschaulichen Gesinnungsgemeinschaft zusammenschweißen will und widergöttliche Gebote“ erlässt. Diese Denkschrift gilt als Vorstufe der zweiten „großen Denkschrift“ des „Freiburger Konzils“. Die Aktivität Dürrs im kirchlichen Widerstand bringt ihm bis 1945 wiederholt Hausdurchsuchungen und Verhöre durch die Gestapo ein, die ihn ausdrücklich als „Feind des Nationalsozialismus“ tituliert.

Karl Dürr stirbt 1976 in Pforzheim

1985 wird in Pforzheim eine Straße im Wohngebiet Maihälden nach ihm benannt.


Autoren: Brigitte und Gerhard Brändle

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lbert Ebel ist am 30. Oktober 1908 in Pforzheim geboren. Seine Frau Frieda und er haben fünf Kinder. Albert Ebel ist Arbeiter bei der Metallschlauchfabrik und Mitglied der KPD*, der Roten Hilfe (RH)* und des Roten Frontkämpferbundes (RFB)* in Pforzheim. Nach der Machtübergabe an die Nazis am 30.1.1933 ist er beteiligt an der Herstellung und der Verteilung von Flugblättern mit Titeln wie „Einheitsfront gegen Hitler“ und am 11.3.1933: „Der Rote Frontkämpferbund ruft zum Kampf gegen Hitlerdiktatur und Hunger“. Er ist von März bis April 1933 und von Februar bis November 1935 wegen Vorbereitung zum Hochverrat „aus Gründen der politischen Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus“ und als Mitglied eines verbotenen Vereins, der die Ziele der verbotenen KDP unterstützt, gemeint ist der RFB, im Gefängnis in Pforzheim an der Rohrstraße bzw. im Gefängnis in Mannheim eingesperrt. Am 17.6.1935 verurteilt ihn das Sondergericht Mannheim im Prozess gegen Karoline Schnell, Valentine Stickel, Friedrich Seitz, Ernst Renner und Fritz Burkhardt – siehe jeweils dort – und ihn wegen „Vorbereitung zum Hochverrat, Fortführung der Roten Hilfe und des RFB, Geheimbündelei und Heimtücke sowie abfälliger Äußerungen gegen die NSDAP“ zu 9 Monaten Haft.

Am 11.11.1938 wird er erneut verhaftet, „weil er anlässlich der Niederbrennung der Synagogen bzw. der Sprengung der Synagoge in Pforzheim eine Bemerkung machte“. Wegen politischer Äußerungen gegen Hitler sperren ihn die Nazis am 18. Januar 1940 wieder ins Gefängnis und verschleppen ihn von dort am 14. März 1940 in das Konzentrationslager Sachsenhausen.

Wie er am 6. Mai 1940 dort zu Tode kommt, ist unbekannt, „offiziell“ ist als Todesursache „Blutkreislaufschwäche“ angegeben. Seine Frau Frieda steht mit den fünf Kindern alleine da.


Autoren: Brigitte und Gerhard Brändle

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Valentine Stickel ist am 26.3.1890 in Warschau geboren. Sie lebt ab 1920 in Pforzheim. Sie ist von Beruf Schneiderin, aus erster Ehe hat sie 3 Söhne, sie und ihr zweiter Mann Julius haben 1924 noch ein Kind, zwei der Söhne sind im Zweiten Weltkrieg gefallen (Stand 1948).

Sie ist Kassiererin der Roten Hilfe (RH)*, auch nach deren Verbot Ende Februar 1933. Im Oktober und November 1933 sperren sie die Nazis jeweils für einige Tage in „Schutzhaft“*. Sie und Karoline Schnell – siehe dort, ebenfalls Rote Hilfe, vereinbaren für den Fall ihrer Verhaftung, „den Austausch von Schnittmustern als Thema ihrer Besprechungen anzugeben“. 1934 ist sie beteiligt bei der Fluchthilfe für Adolf Baier – siehe dort – und bringt ein Flugblatt mit Informationen über die Folterung Ernst Thälmanns in Umlauf. Am 18.12.1934 wird sie verhaftet und aus dem Gefängnis Pforzheim in Untersuchungs-Haft nach Karlsruhe verschubt. Am 17.6.1935 steht sie mit Karoline Schnell, Friedrich Seitz, Albert Ebel, Ernst Renner und Fritz Burkhardt wegen Vorbereitung zum Hochverrat, Fortführung der RH und des Roten Frontkämpferbundes (RFB)*, Geheimbündelei und „Heimtücke“* sowie abfälliger Äußerungen gegen die NSDAP vor dem Sondergericht Mannheim, das sie zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Die Haft muss sie bis Dezember 1936 in den Frauengefängnissen Bruchsal und Gotteszell absitzen.

Vom 10.6. bis 14.7.1937 wird sie wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Abhörens feindlicher Sender nochmals im Gefängnis Pforzheim eingesperrt. Sie wird bis mindestens 1939 von der Polizei überwacht.

Sie überlebt.


Autoren: Brigitte und Gerhard Brändle

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Karoline Schnell, geb. Deck, ist am 29.9.1904 in Mörsch (Krs. Karlsruhe) geboren. Sie arbeitet als Putz- und Waschfrau. Sie ist geschieden und hat einen Sohn, der 1933 geboren wird.

Sie ist Mitglied bei Rot-Sport und Kassiererin der Roten Hilfe (RH)*, auch nach deren Verbot Ende Februar 1933. Sie und Valentine Stickel, ebenfalls Rote Hilfe, vereinbaren für den Fall ihrer Verhaftung, „den Austausch von Schnittmustern als Thema ihrer Besprechungen anzugeben“. 1934 ist sie beteiligt bei der Fluchthilfe für Adolf Baier. Die Gestapo verhaftet sie am 18.12.1934, am 28.5.1935 wird sie von Gefängnis Pforzheim nach Mannheim „verschubt“*. Vom 29.5. bis 1.8.1935 ist sie in Untersuchungs- bzw. Strafhaft im Gefängnis Mannheim. Am 17.6.1935 steht sie mit Valentine Stickel, Friedrich Seitz, Albert Ebel, Ernst Renner und Fritz Burkhardt wegen Vorbereitung zum Hochverrat, Fortführung der RH und des Roten Frontkämpferbundes (RFB)*, Geheimbündelei und „Heimtücke“* sowie abfälliger Äußerungen gegen die NSDAP vor dem Sondergericht Mannheim, das sie zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt. Vom 1.8. bis 17.9.1935 ist die im Frauengefängnis Bruchsal eingesperrt.

Karoline Schnell überlebt den 23.2.1945 in Pforzheim nicht.


Autoren: Brigitte und Gerhard Brändle

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Fred Joseph, geboren am 18. Oktober 1911 in Luzern, wächst in Würzburg auf. Er ist nach den Rassebegriffen der Nationalsozialisten „Halbjude“ und arbeitet seit 1937 als Apotheker in Pforzheim. Er opponiert durch sein Engagement für katholische Pfadfindergruppen gegen die Hitlerjugend. 1941 wird er wegen „Weiterführung einer verbotenen Jugendorganisation“ zu einer einjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Nach seiner Rückkehr nach Würzburg und einer erneuten Verhaftung verschleppen ihn die Nazis ins Konzentrationslager Auschwitz, wo er am 21.10.1943 an einer Rippenfellentzündung verstorben sein soll.

Am 13. März 2008 wurde vor Fred Josephs ehemaligem Wohnhaus in der Ebersteinstraße Nr. 18 der erste Stolperstein in Pforzheim verlegt. Außerdem ist die Fred-Joseph-Straße in Hohenwart nach ihm benannt.


Autoren: Brigitte und Gerhard Brändle

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Heinrich Jäger, geboren am 12. Januar 1887 in Rückingen/Hessen, lebt ab 1919 in Pforzheim. Er ist verheiratet mit Irma Jäger, das Paar hat keine Kinder.

Heinrich Jäger ist Silberschmied und führendes Mitglied der KPD* in Pforzheim und Stadtrat für die KPD. Er ist Redner bei der Erwerbslosendemonstration am 7. Juni 1932 gegen die Anordnung der Stadt, dass die Erwerbslosen „Pflichtarbeit“ leisten müssen, um überhaupt Fürsorgeunterstützung zu erhalten. Die Demonstranten dringen auch in den Ratssaal ein und verlangen: „Wir wollen Arbeit und Brot!“.

Heinrich Jäger gehört zu den ersten Regime-Gegnern, die die Nationalsozialisten in „Schutzhaft“* nehmen, zuerst im Gefängnis Pforzheim vom 8. Februar bis 28. Mai 1933, dann im Konzentrationslager Heuberg vom 29. Mai bis zum 30. November 1933 und im Konzentrationslager Kislau vom 31. November 1933 bis zum 16. März 1934.

Die Gestapo verhaftet den bekannten Anti-Nazi am 15. August 1944 in Pforzheim, vom 29. August bis zum 11. September 1944 ist er wie 14 weitere frühere SPD*- bzw. KPD-Stadtverordnete aus Pforzheim im Zug der „Aktion Gitter“* im Konzentrationslager Dachau eingesperrt.

Nach 1945 ist Heinrich Jäger Leiter des Arbeitseinsatzes beim Arbeitsamt Pforzheim. 1947 ist er Delegierter im Ortsausschuss Pforzheim des Allgemeinen Gewerkschaftsbundes.


Autoren: Brigitte und Gerhard Brändle

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Karl Otto Bührer ist am 3. Juni 1901 in Pforzheim geboren. Seine Frau und er haben einen Sohn. Er ist ab 1927 Hauptlehrer in Pforzheim, Mitglied der SPD, des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold und Leiter des Verbundes der Arbeitersportvereine mit über 3000 Mitgliedern. 1931 tritt er in die Sozialistische Arbeiter-Partei (SAP) ein, die ein Bündnis der Arbeiterparteien und Gewerkschaften gegen den drohenden Faschismus anstrebt.

Ab 1933 arbeitet Bührer als führender Kopf der SAP trotz Verbot weiter: Flugblätter warnen vor der „Erweiterung des Lebensraums nach Osten“ (A. Hitler in „Mein Kampf“), was „soviel wie Krieg bedeutet“. Spendensammlungen helfen Verfolgten und ihren Familien, Fluchthilfestationen in Pforzheim und Schwann bei Pfarrer Friedrich Honecker – siehe dort – retten Bedrohte.

1935 wird Karl Bührer verhaftet, doch die Beweise gegen ihn reichen nicht zu einer Verurteilung. Im Herbst 1937 wird er nach Dietenhausen versetzt. 1938 wird er erneut verhaftet und zusammen mit 15 anderen SAP-Leuten, darunter Hans Brammer und Karl Schroth – siehe jeweils dort, 1939 vor Gericht gezerrt. Vom Volksgerichtshof erhält er am 9.6.1939 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zehn Jahre Zuchthaus. Er ist zuerst wie Otto Habmann und Walter Purkl von der SAP Pforzheim und Wilhelm Künzler (KPD) – siehe jeweils dort – aus Singen im Zuchthaus Ludwigsburg inhaftiert, dann wie Hans Brammer – siehe dort – im Zuchthaus Brandenburg/Havel, wo er unter unbekannten Umständen am 27. Dezember 1942 stirbt.

In Pforzheim erinnern die Karl-Bührer-Straße beim Hauptfriedhof und eine Gedenkplatte beim Denkmal für die Opfer des Nazi-Regimes auf dem Hauptfriedhof an ihn.


Autoren: Brigitte und Gerhard Brändle

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Wilhelm Bollmann ist am 2. September 1895 in Karlsruhe geboren. Er studiert Theologie in Heidelberg, ist im Ersten Weltkrieg vier Jahre lang Soldat, ab 1922 als Vikar an der Mittel-Schlosspfarrei in Karlsruhe tätig, später in Karlsruhe in der Oststadt und in Mühlburg und 1927 kurzfristig als Vertretung am Krankenhaus Gaggenau.

Bollmann übernimmt ab 1. Oktober 1927 in Pforzheim die Pfarrei im Arbeiterviertel Buckenberg. Er ist wie die früheren Vikare in Pforzheim, Erwin Eckert und Heinz Kappes, und Pfarrer Güß in Stein Mitglied des „Bundes der Religiösen Sozialisten“. Diese Gruppe innerhalb der evangelischen Landeskirche stellt den sozialen Auftrag der Kirche in den Mittelpunkt und steht der SPD* und den Gewerkschaften nahe. So tritt Bollmann 1932 in Pforzheim und Umlandgemeinden regelmäßig als Redner der „Eisernen Front“* auf, einem Zusammenschluss von SPD, freien Gewerkschaften, Arbeitersport- und Arbeiterkulturvereinigungen zur Verteidigung der Republik gegen die wachsende faschistische Gefahr.

Die „Religiösen Sozialisten“ warnen früh vor dem Hakenkreuz, denn es bedeutet – so in einem beinahe prophetischen Aufruf am 10. Juli 1932: „Hass, Gewalttätigkeit, Recht des Stärkeren, Herrenmenschentum, Ausmerzung der Schwachen … Völkerverhetzung und Krieg, Zerstörung und Untergang“.

Die hohe Arbeitslosigkeit infolge der Weltwirtschaftskrise 1929 und die zunehmende Jugendkriminalität veranlassen ihn zu tätiger Nächstenliebe. Von 1930 an bekommen oft über 100 Kinder nachmittags Milchkaffee, Kommissbrot und Zwetschgenmus – häufig die einzige tägliche Mahlzeit. Die Aktivitäten der NSDAP und das Verhalten der Kirchenleitung machen den sozialen Tätigkeiten bald ein Ende.

Die Nazis verbieten den Bund der Religiösen Sozialisten am 18. Juli 1933. Nach Auskunft der Tochter Doremarie wird ihr Vater mehr als einmal beim Oberkirchenrat vorgeladen, „weil er für Hitler nicht gebetet hatte“. Am 7. April 1935 „überlegt“ die badische Kirchenleitung, dass man Bollmann „unter Umständen nicht decken könne, wenn der Staat gegen ihn vorginge“. Am 1. August 1935 versetzen ihn die Kirchenoberen von Pforzheim weg nach Karlsruhe-Hagsfeld.

Am 26. August 1939 muss der Vater von vier Kindern zur Wehrmacht, wird Hauptmann, erhält das Eiserne Kreuz I und II und „stirbt“ am 16. Januar 1942 an der Ostfront.


Autoren: Brigitte und Gerhard Brändle

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Wilhelm Bopp ist am 22. Januar 1895 in Kirchberg/Murr geboren. Er ist seit 1926 Arzt in Pforzheim, seine Frau und er haben drei Kinder. Er erhält in der Nacht vom 9. auf den 10.11.1938 einen Anruf der Familie David aus der Nordstadt mit der Bitte um Hilfe, der Familienvater habe durch einen Unfall eine Wunde am Kopf. Tatsächlich war Serge David von einem Schlägertrupp der Nazis, das mit Gewalt in die Wohnung in der Hohenzollernstr. 34 eingedrungen war, misshandelt worden. Als Wilhelm Bopp schon im Haus ist, kommt der Schlägertrupp zurück und befiehlt ihm, nach Hause zu gehen, er solle sich nicht trauen zurückzukommen. Er wartet entfernt, bis die Nazis aus der Nachbarschaft verschwinden. Er versorgt die Kopfwunde, gibt dem Schwerverletzten eine Beruhigungsspritze, bleibt bei ihm bis 6 Uhr am Morgen und versucht, einen Platz im Krankenhaus Siloah oder Trudpert zu finden. Niemand nimmt den jüdischen Patienten auf, erst der Direktor des Städtischen Krankenhauses willigt ein. Nach 3 Wochen im Krankenhaus betreiben die Familien David und Furchheimer die Flucht aus Deutschland, 1939 gelangen sie über Großbritannien in die USA. Die Tochter von Serge David beendete 1988 ihren Bericht über den 9. und 10.11.1938: „…dies alles hat uns geholfen, den Glauben an die Menschheit nicht zu verlieren. Was Dr. Bopp 1938 für uns getan hat, wird nie vergessen werden. Meine Enkel…kennen die Dr.-Bopp-Geschichte sehr gut“.

Wilhelm Bopp stirbt am 18. Januar 1996 in Pforzheim.


Autoren: Brigitte und Gerhard Brändle

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Friedrich Burger ist am 28. Dezember 1896 in Kalbensteinberg/Bayern geboren. Er ist Filialleiter bei dem Lebensmittelgeschäft Pfannkuch am Sedanplatz.

Friedrich Burger lebt ab 1919 in Pforzheim. Seine Frau Ernestine, geb. Stikel, und er haben zwei Kinder, die früh sterben. Er gehört wie seine Frau den „Zeugen Jehovas“ (damals: „Ernste Bibelforscher“)* an. Die Zeugen Jehovas verweigern mit Verweis auf die Bibel den Kriegsdienst, den Hitler-Gruß und auch, einen Eid zu leisten. Das Ehepaar Burger wohnt in der Hahnenstraße 24.

Er wird am 13.10.1937 von der Gestapo verhaftet. Das Sondergericht Stuttgart, das in Neuenbürg tagt, verurteilt ihn am 26. Januar 1938 wegen Betätigung für die ab 1933 verbotenen Zeugen Jehovas zu 18 Monaten Haft.

Friedrich Burger befindet sich vom 13. Oktober 1937 bis zum 6. März 1940 in Haft. 1940 wird er zwar aus dem Gefängnis entlassen, jedoch sofort in die Konzentrationslager Dachau und dann Mauthausen deportiert. Er „stirbt“ dort aufgrund von Hungersnot und Misshandlung durch die KZ-Wächter.

Im Rahmen der Aktion „Stolpersteine“ wurde für Friedrich Burger am 28. April 2010 ein Stein vor seinem damaligen Arbeitsplatz in der Jörg-Ratgeb-Straße 37 in den Boden eingelassen.


Autoren: Brigitte und Gerhard Brändle

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Kurt Baruch ist am 15. Dezember 1912 in Pforzheim geboren. Er wohnt mit seinen Eltern Hugo und Berta und den Geschwistern Liselotte und Helmut in der Ebersteinstraße 6. Dort befindet sich auch das Wäschegeschäft der Eltern. Er macht nach der Mittleren Reife an der Oberrealschule eine kaufmännische Lehre. Kurt Baruch ist in der Zeit der Weimarer Republik Mitglied der jüdischen Jugendbewegung „Kameraden“. 1930 geht er wie Wilhelm Blum, Hans Pollak, Paul Strimpel und Werner Reinheimer zur Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ)*, der Jugendorganisation der SPD*, 1931 zur Sozialistischen Arbeiter-Partei (SAP)*.

Er nimmt auch teil an der antifaschistischen Demonstration von SAP und KPD* am 16. Juni 1932 mit der Parole: „Wenn wir zusammenstehn,muss Hitler-Papen stempeln gehen“. Die 1931 gegründete SAP versteht sich als Versuch, eine Einheitsfront gegen die drohende faschistische Gefahr herzustellen, nach Karl Schroth eine „Brücke, um die beiden antifaschistischen Parteien SPD und KPD durch die dritte Kraft im Kampf gegen Hitler näherzubringen“.

Nach dem Machtantritt der NSDAP am 30. Januar 1933, nach dem Wahlerfolg der Nazi-Partei am 5. März 1933 mit 57,5 Prozent in Pforzheim, nach seiner Entlassung am 31.3., nach dem Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 muss es Kurt Baruch – ähnlich wie Werner Reinheimer – klar geworden sein, dass es für ihn in Deutschland keine Zukunft gibt: Nach einer Ausbildung als Gärtner verlässt er am 2.4.1936 Pforzheim und emigriert über Dänemark nach Palästina. Er „wohnt“ dort 1 ½ Jahre im Zelt und hilft mit, einen Kibbuz aufzubauen.

Kurt Baruchs Geschwister bleiben beide in Pforzheim zurück. Gestapo-Männer holen sie am Morgen des 22. Oktober 1940 aus der Wohnung in der Ebersteinstraße und deportieren sie wie weitere 193 Menschen aus Pforzheim in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich. Die Schwester Liselotte wird am 10. August 1942 ins Vernichtungslager Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Der Bruder Helmut wird am 31. August 1942 nach Auschwitz gebracht, am 10. Februar 1945 ins Konzentrationslager Buchenwald, er „stirbt“ dort am 18. Februar 1945. Der Vater Hugo überlebt den 23.2.1945 in Pforzheim nicht, die nichtjüdische Mutter Berta stirbt in den 70er Jahren in einem Altersheim in Göppingen.

Nach dem Krieg steht Kurt Baruch in ständigem Briefkontakt mit Karl Schroth, in späteren Jahren durch den Austausch von Tonkassetten, da seine Sehkraft immer mehr nachlässt. 1980 kommt Kurt Baruch zu einem letzten Treffen der noch lebenden SAP-Mitglieder, u.a. Ludwig Bub, Martha Kadner, Werner Reinheimer und Karl Schroth nach Pforzheim. 1987 gehört Kurt Baruch, begleitet von seiner Tochter, zu einer Gruppe jüdischer Bürger, die die Stadt Pforzheim in ihre ehemalige Heimat einlädt.

Er stirbt 1992 in Israel.


Autoren: Brigitte und Gerhard Brändle

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Emma Barth ist am 2.7.1880 in Schloss Comburg/Schwäbisch Hall geboren. Sie lebt seit 1907 in Pforzheim. Sie und ihr Mann Franz betreiben in der Weimarer Zeit eine Gärtnerei im Arlinger. Sie haben eine Tochter im Alter von 40 Jahren (Stand 1948). Emma Barth ist Mitglied der Glaubensgemeinschaft der „Ernsten Bibelforscher“, heute „Zeugen Jehovas“*. Die Zeugen Jehovas verweigern mit Verweis auf die Bibel den Kriegsdienst, den Hitler-Gruß und auch, einen Eid zu leisten.

Trotz Verbot nimmt Emma Barth an Zusammenkünften der Gemeinschaft teil. 1933 wird sie zum ersten Mal verhaftet. Ihre Tochter wird ebenfalls verhaftet, der Zeitpunkt ihrer Verurteilung zu zwei Monaten ist noch ungeklärt. Vom 7.4. bis 2.5.1936 ist Emma Barth wegen Fortführung einer verbotenen Vereinigung in Untersuchungshaft und wird dann aufgrund einer Amnestie entlassen.

Ihr weiteres Schicksal ist nicht bekannt.


Autoren: Brigitte und Gerhard Brändle

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