Die Hildaschule im Nationalsozialismus

Hier bekommst du einen Einblick in die Geschichte des Hilda-Gymnasiums (früher Hildaschule). Um einen Überblick über die Geschichte Pforzheims im Nationalsozialismus zu bekommen, schaue dir unsere Kurzfilme an.

Schulalltag ab 1933

Schulbetrieb und Alltag an der Hilda-Schule waren ab 1933 einschneidenden Veränderungen unterworfen. Von nun an gab es entsprechende Feiern zum Geburtstag des „Führers“. Seine Porträts hingen nun in den Klassenräumen. Fahnenappelle in der Nordturnhalle fanden nun zu Beginn und Ende der Schultertiale statt. Betrat der Lehrer das Klassenzimmer, musste man mit „Heil Hitler“ grüßen. Direktor Dr. Paul Geiger wurde Anfang Mai 1933 aufgrund seiner sozialdemokratischen Parteizugehörigkeit vom Dienst suspendiert. Zwar fanden sich drei mutige Schülerinnen der Obersekunda, die als Vertreter ihrer Klasse nach Karlsruhe fuhren, um sich im Ministerium für ihn einzusetzen, bewirken konnten sie damit allerdings nichts. Der neue Direktor Prof. Dr. Hans Kinkel, der von der Lessingschule in Karlsruhe kam und zum 1. Mai 1933 erst die kommissarische Leitung der Schule übernahm, setzte nun den „geistig-seelischen Umschwung“ in nationalsozialistischem Sinne um. Anfang Oktober wurde er dauerhaft zum Direktor ernannt und blieb in diesem Amt – abgesehen von einer kurzen Unterbrechung 1935/36 – bis zu seiner Abberufung als Direktor nach Straßburg 1942. Die erste Abschlussfeier unter Kinkels Leitung am 23. März 1934 fand im Saalbau statt, der mit einer Hakenkreuzfahne dekoriert war. Ihr Ablauf zeigte, wie stark die Schule vom „nationalsozialistischen Geist“ bereits geprägt war. Unter dem Motto „Das Jahr zieht vorüber“ beginnt die Vortragsfolge der Schülerinnen mit einem Sprechchor zum „Tag der Arbeit“: das Vortragsstück „Arbeit“ von E. v. Wildenbruch. Es folgen das „Lied der deutschen Arbeitsfront“ von H. Lersch und der dreistimmige Chor „Flamme empor“ von K. Gläser, der sinnbildich für den „Tag der Jugend-Sonnenwendfeier“ stehen sollte. Das eifrige Fahnenschwingen von sechs sporttüchtigen Schülerinnen entfaltete seine Wirkung. Dem „Erntedankfest“ war das Klaviersolo „Der fröhliche Landmann“ von Schumann gewidmet. Die Feier sollte ein begeistertes Bekenntnis zum Deutschtum sein. Ihre „Krönung“ stellte das gemeinsam gesungene „Horst-Wessel-Lied“ dar, das als Lied der nationalsozialistischen Bewegung als inoffizielle Nationalhymne galt. Nach Direktor Kinkel sollte sich der Geist an der Schule dahingehend auswirken, dass die Mädchen wieder ihrem „eigentlichen Wesen“ zugeführt werden, was bedeutete, dass Frauen im nationalsozialistischen Sinne vor allem ihre Erfüllung in der Mutterrolle finden sollten.

Eine weitere Schulreform im Jahr 1937 führte zur Verkürzung der Schulzeit auf 8 Jahre durch Streichung der Untersekunda. Der Erlass vom 22. Januar 1938 machte aus der Hildaschule eine „Oberschule für Mädchen“. Der sprachliche wie der hauswirtschaftliche Zweig wurden ausgebaut. Die Streichung der zweiten Fremdsprache rief bei den Eltern allerdings Proteste hervor. Im Jahr 1939 wurden bestimmte Schulungskurse für alle Lehrkräfte Pflicht, was zur Folge hatte, dass an keinem Tag mehr alle Kollegen an der Schule waren.

Die antisemitische Ideologie machte sich im Schulalltag vor allem für die jüdischen Mitschülerinnen und Lehrkräfte bemerkbar. Der Lehrer Fritzmartin Ascher wurde zunächst zwangsbeurlaubt, aufgrund seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg jedoch weiter beschäftigt, bis Ende 1935 endgültig seine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand bei gekürztem Ruhegehalt erfolgte. Die Lehrerin Hedwig David, die zwischen 1920 und 1927 an der Hilda-Schule unterrichtete, lehrte noch zeitweise in der „jüdischen Abteilung“ der Osterfeldschule. Ihre Deportation nach Gurs 1940 und später nach Auschwitz 1942 endete mit ihrer Ermordung im Konzentrationslager.

Bis wann genau Religionslehrer Hermann Marx an der Hildaschule unterrichtete, ist nicht bekannt. In den Akten findet sich ein letzter Hinweis im Jahr 1934 auf Genehmigung von sechs Deputatsstunden für israelitischen Religionsunterricht. Er flüchtete im Jahr 1938 mit seiner Frau Selma nach Palästina. Auch die Lehrerin Berta Funt musste 1933 aufgrund ihrer „jüdischen Wurzeln“ die Schule verlassen. Ebenso wurden vier weitere Lehrerinnen – vermutlich aus „politischen Gründen“ – 1933 vom Dienst suspendiert.

Die antisemitische Haltung bekamen die Schülerinnen ab 1933 immer deutlicher zu spüren. Zeitzeugen geben Einblicke in ein düsteres Bild des Schulalltags. Jüdische Schülerinnen wurden systematisch ausgegrenzt, mussten in der letzten Bankreihe sitzen, wurden im Rahmen des Unterrichtsgeschehens kaum bis gar nicht berücksichtigt und mussten spätestens 1938 zwangsweise die Schule verlassen, wenn sie sich nicht schon vorher dem Druck gebeugt hatten. So beschreibt Ida Bensinger, dass in ihren letzten Jahren an der Hildaschule arische und nicht-arische Kinder nicht in der gleichen Bankreihe sitzen und in den Pausen nicht zusammen spielen durften. Sie spricht von einer völligen Isolation, die darin mündete, dass man den jüdischen Schülerinnen an Ostern 1936 sagte, im nächsten Schuljahr seien sie nicht mehr erwünscht. Diese Forderung deckte sich mit dem Ziel des Reichserziehungsministers Rust, an Ostern 1936 in allen Orten, in denen es mindestens 20 jüdische Volksschüler gab, spezielle Schulen für Juden zu errichten und sie so aus ihren bisherigen Schulen auszuschließen. Ab Herbst 1936 wurde dieses Ziel in Pforzheim verwirklicht, denn jüdische Kinder sowie Kinder aus sogenannten „Mischehen“ wurden nun an der „jüdischen Abteilung“ der Osterfeldschule unterrichtet. Hier wurde darauf geachtet, dass arische und nichtarische Kinder so wenig wie möglich miteinander in Kontakt traten. Es gab unter anderem gesonderte Eingänge für Juden. Sie durften nicht wie die anderen Kinder auf dem Pausenhof vespern, sondern mussten dies auf dem Gang oder der Straße tun.

Einige wenige jüdische Schülerinnen blieben auch noch nach 1936 an der Hildaschule. Die genauen Umstände sind nicht bekannt. Sicher belegt sind mindestens zwei Schülerinnen, die im Herbst 1938 die Schule verlassen mussten. Die Schicksale derer, die in den Jahren zwischen 1925 und 1938 die Hildaschule besuchten, verliefen unterschiedlich. Manche besuchten ab 1936 noch die sogenannte „Judenschule“ (Osterfeldschule; damals: Hindenburg-Schule). Viele konnten letztendlich ins Ausland fliehen bzw. wurden nach ihrer Deportation gerettet, sieben ehemalige Hildaschülerinnen verloren ihr Leben im Konzentrationslager Auschwitz. Diejenigen, die mit dem Leben davon kamen, verloren zum Teil Freunde und Familienangehörige und kämpften mit den körperlichen und psychischen Belastungen bis an ihr Lebensende.

„Kriegsalltag“ an der Hildaschule

Das erste Abitur an der Hildaschule nach Kriegsbeginn wurde den Oberprimanerinnen ohne Prüfung zuerkannt. Grundlage war das Abschlusszeugnis der Klasse 8. Der Krieg führte zu einer einschneidenden Umstellung des Schulbetriebes. Einige Lehrer wurden zum Kriegsdienst eingezogen wie der Kunsterzieher Walter Bender, der nicht aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurückkehrte. Auch wenn die ersten Jahre an der sogenannten „Heimatfront“ ruhig verliefen, wurden die Luftschutzmaßnahmen ausgebaut. Jede Klasse hatte eine laufstarke „Feuermelderin“, die im Ernstfall zum Bezirksamt in der Bahnhofstraße rennen musste, um dort Meldung zu machen. Der Keller wurde nach Kriegsbeginn zu einem öffentlichen Luftschutzkeller ausgebaut. Musste der Unterricht bei „Voralarm“ unterbrochen werden, so wurde er nach Entwarnung häufig wieder aufgenommen. In den Ferien wurden ältere Schülerinnen als Helferinnen in Säuglingsheimen und Kinderkrippen eingesetzt. Die Abiturientinnnen kamen in den „Reichsarbeitsdienst“. Dem schloss sich der „Kriegshilfsdienst“ an. Erst danach war es möglich, ein Studium aufzunehmen. 1942 folgte auf Dr. Kinkel Oberstudiendirektor Laube als Leiter der Hildaschule. Im selben Jahr wurde die Luisenstraße in „Dr. Fritz-Todt-Straße“ umbenannt, zu Ehren des bei einem Flugzeugabsturz zu Tode gekommenen Pforzheimers. Todt wurde schon 1922 NSDAP-Mitglied und war ab 1933 „Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen“, ab 1940 sogar „Reichsminister für Bewaffnung und Munition“.

Zum Jahreswechsel 1942/43 dehnten sich die „Luftwarnungen“ auch auf den Vormittag aus. Es kam zu ersten größeren Unterrichtsausfällen. Am 1. April 1944 fielen die ersten Bomben auf Pforzheim. Nach den Sommerferien 1944 wurden die oberen Klassen (ab der Obersekunda) komplett in die Pforzheimer Rüstungsbetriebe geschickt, um an sechs Tagen in der Woche Zünderteile zu produzieren. Nach Neujahr 1945 wurden aufgrund des Kriegsverlaufes die unteren Klassen vom Bahnhof Weißenstein aus mit dem Zug bis zur „Sammelstelle Triberg“ gebracht. Danach ging es ins Gasthaus „Rebstöckle“ nach Schonach, wo die Sexta-, Quinta-, und Quarta-Klassen untergebracht wurden. Die Unter- und Obertertialklassen kamen in ein Lager nach Furtwangen. Es gab täglich Unterricht, aber die Angst und das Heimweh waren allgegenwärtig.

Die Zerstörung des Schulgebäudes am 23. Februar 1945

Der Krieg, den die Nationalsozialisten entfacht hatten, war längst nach Deutschland zurückgekommen, als der Luftangriff der Royal Air Force am 23. Februar 1945 über die Stadt hereinbrach. Das NS-Regime hatte seit Kriegsbeginn 1939 zahllose Länder überfallen und besetzt. Weite Teile Europas waren unter deutscher Besatzung. Die Schlacht um Stalingrad sowie die Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie markierten die Kriegswende und leiteten die Befreiung der Gebiete von den Besatzern ein. Deutsche Truppen waren kontinuierlich auf dem Rückzug, bis der Krieg das Gebiet des Deutschen Reiches erreichte.

Die Bombardierung Pforzheims hat sich bis heute in das Gedächtnis der Bevölkerung eingebrannt. Die Angriffe auf die Stadt am 23. Februar stellten einen der größten konventionellen Luftangriffe dar. 31,4 Prozent der Bevölkerung verloren dabei ihr Leben. Unter dem Codenamen „Yellowfin“ begannen um 19:53 Uhr die Angriffe von insgesamt 368 Flugzeugen. Mindestens 17 600 Menschen starben an diesem Abend. Von der weitgehenden Zerstörung – insbesondere des Stadtkerns – war auch die Hildaschule nicht ausgenommen. Zwar war der Schulbetrieb aufgrund der Kriegssituation bereits 1944 eingestellt bzw. verlagert worden, im Keller der Schule fanden jedoch einige Menschen während der Bombardierung Zuflucht. Diese konnten sich glücklicherweise retten.

Der in deutschem Namen entfesselte Krieg brachte der Stadt Tod und Zerstörung. Die Folgen der NS-Herrschaft fielen spätestens jetzt auf diejenigen zurück, die das Regime gestützt oder toleriert hatten. Die niederschmetternde Bilanz des Zweiten Weltkrieges verzeichnet nach Schätzungen mindestens 65 Millionen Opfer, darunter unzählige Zivilisten. Der von den Nationalsozialisten organisierte Massenmord an ca. sechs Millionen Juden sowie an politischen Gegnern, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderungen, Homosexuellen und Andersdenkenden ging als beispielloser Zivilisationsbruch in die Geschichte ein.